…und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.

Unser Sohn kam eines Tages ganz glücklich nach Hause. Er war zum Klassensprechen gewählt worden und sehr stolz darauf. Doch schon am nächsten Tag sagte er frustriert: “Es ist echt schwer, ein Klassensprecher zu sein!“ Ich fragte: „Warum denn?“ Da brach es aus ihm heraus: „Ich musste ständig Streit schlichten! Ein Junge sagte sogar zu mir: Ich hasse Dich. Und dann beschimpfte er mich als Affen. Das ist so ungerecht!“

Abends war seine Sicherung völlig durchgebrannt. Seine Schwester hatte gegen seine Flasche gehauen, die er gerade trank, und ihm damit wehgetan. Er wurde richtig zornig, es war ein schlimmer Tag gewesen. „Lass uns das Vater-unser zu beten, schlug ich vor. Nein!“, sagte er entschieden. „Ich weißschon, warum du das willst. Wegen dem Verzeihen. Aber ich will nicht verzeihen!“ Wütend lief er auf seine Schwester zu und warf sie auf den Boden. Was natürlich alles nur noch schlimmer machte.

Ja, Vergebung ist eine Herausforderung. Sie ist keine natürliche Reaktion, weder für Kinder noch für Erwachsene. Wie schwer fällt es uns, unserem Nächsten all die Ich ihm vor. Ärgernisse, die sich am Tag so ansammeln, zu vergeben! Aber nicht umsonst steht diese Zeile im Vaterunser. Vergebung ist wichtig. Ohne sie macht sich Zorn und Bitterkeit in unseren Herzen breit. Ein Mensch, der nicht vergibt, kann nur unglücklich werden. Jemand sagte einmal: Vergeben heißt, die Gefangenen frei lassen – um dann zu entdecken, dass ich der Gefangene war. Die größte Motivation zur Vergebung ist allerdings, wenn man sich bewusst ist, dass man selbst Vergebung nötig hat. Denn wo wären wir, wenn Gott uns nicht seine Vergebung anbieten würde.

Eine Leseprobe aus „Leben ist mehr 2022“
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